Liebe in Orsay
Zunächst einmal das berühmteste erotische Werk der Kunstgeschichte: Gustave Courbets "Ursprung der Welt" ist seit 1995 im Musée d'Orsay zu sehen. Dieses Meisterwerk von 1866, das kein bisschen gealtert ist, überrascht und verstört zugleich. Damals von dem türkisch-ägyptischen Diplomaten Khalil-Bey in Auftrag gegeben, entdeckte man erst viel später, dass das Modell für das Gemälde niemand anderes als Constance Quéniaux war, eine Tänzerin und Geliebte des Diplomaten mit üppigem Haar. Die Fahrkarte für die Metro war noch nicht in Mode, denn die erste Fahrkarte für die Metro erschien im Jahr 1900, als die erste Metrolinie in Paris eröffnet wurde.
Rodin, der (Nicht-)Denker
Weiter geht es mit "Iris, Botin der Götter", einer Skulptur, die im Rodin-Museum zu entdecken ist. Das Werk aus dem Jahr 1895, 30 Jahre nach der "Entstehung der Welt", löste einen Skandal, aber auch Faszination aus. Unter dem Namen "Iris, Götterbotin", "Fliegende Figur" oder auch "Ewiger Tunnel" ist das Werk sowohl symbolisch als auch mythologisch, aber auch formal sehr präsent. Luftig, dynamisch, erinnert das Werk an die Tanzbewegungen des französischen Cancan und an Spreizung der Turnerin. Die Position, das Fehlen des Kopfes und eines Arms verengen den Rahmen und lenken den Blick auf das weibliche Geschlecht und lassen uns rätselnd oder nachdenklich im Kontext verweilen.
Es gibt keine Party ohne Renoir
In der Orangerie entdecken wir das "Badende Mädchen mit langen Haaren" von Auguste Renoir. Die nackte Badende, die in einer zeitlosen Landschaft aus dem Wasser steigt, drapiert zart ein weißes Tuch über ihrer Brust. Das goldene, entfaltete Haar spiegelt die unmerkliche Bewegung der Vegetation im Hintergrund wider,die die Szene vibrierend und wellenförmig erscheinen lässt. Auch die Weichheit und Rundung des Gesichts scheinen in perfekter Harmonie mit dem Fleisch und den Kurven des Körpers zu stehen. Diese Periode des Malers wird wegen der lebendigen und leuchtenden Wiedergabe des Teints der Körper als "Perlenzeit" bezeichnet. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns in der Orangerie befinden, aber man hat durchaus Lust, hineinzubeißen.
Eine ewige Liebesgeschichte
Machen wir nun einen Spaziergang zum Karussellgarten und finden wir die Statue namens “Flore” von Aristide Maillol. Dieses Werk aus dem Jahr 1910 ist zwischen den Büschen mit Ähren versteckt. Es stellt den Körper einer jungen Frau dar, die der Künstler immer wieder neu erfinden wird: Dina Vierny, ein Modell, das zur Muse wurde und ihn bis zu seinem Tod inspirierte. Sie ist sowohl die Göttin des Frühlings als auch der Blumen. Das Werk strahlt eine erhabene Sinnlichkeit aus, insbesondere durch die Behandlung der Drapierungen, die die junge Frau mit ihren schwellenden Zügen sanft umschmeicheln. Aber Vorsicht, nur mit den Augen berühren!
Sex von Paris
Nachdem wir die Brücke Pont Neuf überquert haben, entdecken wir den Place Dauphine, den die Bretonen wegen seiner dreieckigen Form das Geschlecht von Paris nannten. Hier finden wir seine Gebäude aus Backstein und Stein, die Galerien, die ihn säumen, die kleinen Cafés, in denen man sich ein paar Stunden ausruhen kann... Die Nummer 15 des Platzes hat zum Beispiel lange Zeit eines der berühmtesten Paare des französischen Kinos beherbergt, Yves Montand und Simone Signoret. Aber der Platz hat auch die Fantasie vieler Dichter und Schriftsteller angeregt: In seiner 1953 veröffentlichten Textsammlung "La Clé des Champs" gab der surrealistische Dichter André Breton diesem Platz den Spitznamen "Sex von Paris"! Für den Dichter sieht der Platz wie ein weibliches Geschlecht aus, das von zwei Beinen umgeben ist, die die beiden Arme der Seine darstellen. Mit viel Fantasie könnte man vielleicht davon überzeugt werden... oder nicht?
Photos: 1 – , 2 – anubisabyss, 3 – La Parisienne du Nord, 4 – FramaKa, 5 – Des Racines et des Ailes
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